Erbrecht Online
§ 2 - Die vorweggenommene Erbfolge
08. Feb 2021II. Die Rückforderungsrechte
Für den Übergeber eines Wohnhauses im Wege der vorweggenommenen Erbfolge besteht die Gefahr, dass der Übernehmer die vereinbarten Gegenleistungen, z. B. eine Pflegeverpflichtung, nicht erfüllt. Hier stellt sich die Frage, ob das Gesetz dem Übergeber ausreichenden Schutz bietet, oder ob er sich durch Rückfallklauseln, nach denen er unter bestimmten Voraussetzungen die Rückübertragung der Schenkung verlangen kann, absichern sollte.
1. Gesetzliche Rückforderungsrechte
Kommt es zu Leistungsstörungen im Rahmen eines Vertrages über die vorweggenommene Erbfolge, stehen dem Übergeber grundsätzlich die gesetzlichen Rückforderungsrechte zu (vgl. §§ 323 ff). Im Falle von Schenkungen kann der Schenker die Herausgabe des Geschenks verlangen, wenn die Vollziehung einer vereinbarten Auflage unterbleibt (§ 527 I). Macht sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig, kann er die Schenkung widerrufen (§ 530).[1] Ein grob undankbares Verhalten kann z. B. darin liegen, dass der Beschenkte eine ihm eingeräumte Altersvorsorgevollmacht gegen die Interessen des Schenkers ausübt.[2]
[1] BGH ZEV 2000, 407
[2] BGH NJW 2014, 3021
Verarmt der Schenker später, kommt eine Rückforderung des Geschenks in Betracht (§ 528).[1] Bezieht der Schenker Sozialleistungen, kann der Sozialhilfeträger diesen Anspruch auf sich überleiten (§ 93 SGB XII). Der Rückforderungsanspruch besteht jedoch nur in dem Umfang, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Schenkers erforderlich ist. Bei einer Grundstücksschenkung muss daher nicht das Grundstück zurückgegeben werden, sondern der Beschenkte hat so lange laufende Zahlungen zu entrichten, bis der Schenker verstorben bzw. der Wert des Grundstücks erreicht ist.[2] Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn die Schenkung 10 Jahre vor Eintritt der Bedürftigkeit ausgeführt worden ist (§ 529 I). Der Fristlauf wird nicht dadurch gehindert, dass die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt erfolgt ist.[3]
Zu beachten ist noch, dass die einzelnen Bundesländer das Recht haben, für den mit der Übergabe des Grundvermögens verbundenen Versorgungsvertrag ergänzende Vorschriften zu erlassen (Art. 96 EGBGB). Diese sind nicht auf landwirtschaftliches Vermögen beschränkt, sondern auch auf Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übergabe von städtischem und gewerblich genutztem Grundbesitz anwendbar.[4] Das Landesrecht schränkt das gesetzliche Rücktrittsrecht teilweise ein. Diese Einschränkungen greifen nur ein, wenn und soweit die Beteiligten keine andere Regelung getroffen haben, z. B. einen Rücktrittsvorbehalt. Für den Übergabevertrag mit Altenteilsrechten, insbesondere bei der typischen Hof- oder Betriebsübergabe, soll die vorweggenommene Erbfolge grundsätzlich nicht mehr umkehrbar sein. Ein Rücktrittsrecht des Übergebers wegen Nichterfüllung oder Verzugs ist daher ausgeschlossen (vgl. Art. 17 AGBGB von Bayern).
Das Wesen eines Altenteils besteht in dem Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz begründende Wirtschaftseinheit.[5] Eine bloße Grundstücksüberlassung mit einer Wohnrechtsgewährung sowie Vereinbarung einer Pflege- und Versorgungsverpflichtung ist kein Altenteilsvertrag, so dass ein Rücktritt bei Nichterbringung der geschuldeten Pflegeleistung möglich ist.[6]
Ob neben den landesrechtlichen Vorschriften gemäß Art. 96 EGBGB im Falle von Altenteilsrechten die Bestimmungen des BGB über den Widerruf von Schenkungen anwendbar sind, ist umstritten. Es handelt sich um die Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers (§ 528) oder groben Undanks des Beschenkten (§ 530).
Können Versorgungsansprüche wegen der Abwesenheit des Übergebers vom Anwesen nicht mehr entstehen, kommt eine Umwandlung dieser Naturalversorgungsansprüche in Geldersatzansprüche in Betracht. So ist z. B. aufgrund der Befreiung von der Pflicht zur Gewährung von Wohnung und Dienstleistungen eine dem Wert der Befreiung entsprechende Geldrente zu zahlen (Art. 18 AGBGB von Bayern).[7]
[1] Ruby, ZEV 2005, 102
[2] BGH NJW 2005, 670
[3] BGH NJW 2011, 3082
[4] Schwarz, ZEV 1997, 309, 310
[5] BGH ZEV 2007, 588
[6] BGH ZEV 2001, 30
[7] BGH FamRZ 2004, 690