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§ 2 - Die vorweggenommene Erbfolge

16. Dez 2020

Mit „vorweggenommener Erbfolge“ ist die Übertragung des Vermögens oder eines wesentlichen Teiles davon durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als Erben in Aussicht genommene Empfänger gemeint.[1] Die vorweggenommene Erbfolge ist nicht nur unter Verwandten, sondern auch unter Fremden möglich. Der Vermögensübergang tritt nicht kraft Gesetzes, sondern aufgrund einzelvertraglicher Regelung ein, z. B. im Wege einer Schenkung.

Im Rahmen einer Gesamtvermögensnachfolge bietet sich die „vorweggenommene Erbfolge“ als erste Stufe an, die durch eine letztwillige Verfügung ergänzt werden kann. Es ist häufig sehr sinnvoll, die Vermögensnachfolge nicht bis zu dem Zeitpunkt seines Todes hinauszuschieben, sondern bereits zu Lebzeiten vorzunehmen und sei es auch nur teilweise. Besonders zu beachten sind die steuerlichen Vorteile, die mit einer stufenweisen lebzeitigen Übertragung verbunden sind.

[1] BGH ZEV 1995, 265

I. Der Übergabevertrag

Für die vorweggenommene Erbfolge bestehen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Besonders zu nennen ist der Übergabevertrag. Er ist ein Generationennachfolgevertrag, dessen Sinn und Zweck in einem Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz begründende Wirtschaftseinheit des Übergebers besteht. Zu denken ist z. B. an die Übertragung eines Hofes oder eines Unternehmens, von Gesellschaftsanteilen oder Grundvermögen. Der Übergabevertrag bedarf der notariellen Beurkundung, wenn er die Übertragung von Grundbesitz, z. B. eines Einfamilienhauses oder eines GmbH-Anteils, enthält.

Häufig enthalten Verträge über eine vorweggenommene Erbfolge auch Regelungen über die Anrechnung des Geschenks auf den Pflichtteil oder einen Pflichtteilsverzicht sowie Anordnungen über die Ausgleichung von Zuwendungen des Erblassers unter Abkömmlingen.

Grundstücksschenkungen unter Lebenden unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG), sondern nur der Schenkungsteuer.

Die Schenkung eines Familienwohnheims unter Ehegatten ist von der Schenkungsteuer befreit. Desgleichen bleibt auch der Ehegattenfreibetrag unberührt (§ 13 I Nr. 4 a ErbStG; vgl. S. 374). Eine Zusammenrechnung mit früheren bzw. späteren Zuwendungen innerhalb von 10 Jahren erfolgt nicht (§ 14 ErbStG).

1. Das Wohnungsrecht

Obwohl die Eltern bereits zu Lebzeiten ihr Haus oder ihre Eigentumswohnung auf ihre Kinder übertragen, wollen sie häufig die Immobilie noch bis zu ihrem Ableben bewohnen. Als Übergeber können sich die Eltern ein Wohnungsrecht an der Immobilie vorbehalten. Zu dessen Sicherung können sie eine Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen lassen (§ 1093).[1]

Das Wohnungsrecht ist nicht übertragbar und kann nur persönlich ausgeübt werden (§ 1092 I 1). Familienangehörige und Hauspersonal dürfen jedoch ohne besondere Gestattung aufgenommen werden (§ 1093 II). Hierzu gehört auch ein dauerhafter Lebensgefährte.[2] Anderen Personen darf die Allein- oder Mitbenutzung der Wohnung nur mit Erlaubnis des Eigentümers gestattet werden. Das Wohnungsrecht erlischt grundsätzlich, wenn dessen Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd ausgeschlossen ist. Ein bloß subjektives Ausübungshindernis, wie z. B. der alters- oder gesundheitsbedingte Umzug in ein Heim, führt dagegen nicht zum Erlöschen des Wohnungsrechts.[3] Wird auf das nicht mehr benötigte Wohnungsrecht vom Berechtigten verzichtet, stellt dies eine Schenkung dar.[4]

Erhält  der Inhaber des Wohnungsrechts zur Bezahlung der Heimkosten Sozialhilfe, ist strittig, ob der Sozialhilfeträger die Rechte aus dem Wohnungsrecht auf sich überleiten kann (§ 93 SGB XII). Ist dem Berechtigten die Befugnis eingeräumt worden, die Ausübung des Wohnungsrechts entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte zu überlassen, ist eine Überleitung möglich. Ist die Überlassung des Wohnungsrechts nicht gestattet, kann der Sozialhilfeträger im Einzelfall die Mieteinnahmen herausverlangen, die seit dem Auszug des Wohnungsberechtigten erzielt werden.[5] Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sollte ausdrücklich eine vertragliche Regelung getroffen werden, wonach das Wohnungsrecht erlischt und Ersatzansprüche ausgeschlossen sind, wenn der Berechtigte das Anwesen auf Dauer verlässt.[6]

Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, ist zu empfehlen, die Nebenleistungspflichten (Instandsetzung, Betriebskosten) ausdrücklich zu regeln.

[1] Grziwotz, ZEV 2010, 130
[2] BGH FamRZ 1982, 774
[3] BGH NJW 2007, 1884
[4] OLG Nürnberg ZEV 2014, 37
[5] BGH ZEV 2009, 252
[6] BGH ZEV 2009, 254; Zimmer, ZEV 2009, 382; Brückner, NJW 2008, 1111

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