Steuer- & Rechtstipps

Die Adoption mit steuerlichem Hintergrund

Bereits mit unserem Newsletter im Juni 2009 haben wir auf die Adoption mit steuerlichem Hintergrund hingewiesen. Anlass war das seit 01.01.2009 geltende und damals neue Erbschaftsteuerrecht. Dieses hatte die steuerliche Lage für entferntere Verwandte, wie z.B. Neffen und Nichten (Steuerklasse II) oder nicht verwandte Personen (Steuerklasse III) deutlich verschlechtert. Während der Eingangssteuersatz in den Steuerklassen II und III auf 30 % angehoben wurde, wurden die Freibeträge nur geringfügig auf € 20.000,00 erhöht.

Mit Urteil vom 17.12.2014 erklärte der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die §§ 13 a und 13 b sowie § 19 I ErbStG für verfassungswidrig. Diese Vorschriften, die mittlerweile neu gefasst wurden, betreffen ausschließlich die Unternehmens- respektive Betriebsnachfolge, nicht die steueroptimierte Übertragung von Privatvermögen, welche vor dem Hintergrund ständig wachsender Grundstückspreise immer mehr an Bedeutung gewinnt. Hier wurde zwar § 19 ErbStG dahingehend geändert, dass der Einstiegsteuersatz in der Steuerklasse II 15 % beträgt, nicht mehr 30 %. Der hohe Einstiegsteuersatz von 30 % in Steuerklasse III sowie die geringen Freibeträge von € 20.000,00 in den Steuerklassen II und III sind jedoch geblieben.

Dies zugrunde gelegt, hat die Adoption mit steuerlichem Hintergrund sogar noch an Bedeutung gewonnen, da die günstige Steuerklasse I nicht nur leiblichen Kindern oder Stiefkindern, sondern auch Adoptivkindern gewährt wird. Durch die Volljährigenadoption können also auch entfernte Verwandte oder sogar familienfremde Personen in den Genuss der hohen Freibeträge und der niedrigen Steuersätze der Steuerklasse I gelangen. Dies spiegelt auch die Statistik wider. Mittlerweile dürfte die Zahl der Volljährigenadoption der Zahl der Minderjährigenadoption entsprechen (Frank, StAZ 2008, 66).

Für die Annahme eines Volljährigen als Kind ist erforderlich, dass die Adoption sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist nach dem Gesetz der Fall, wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis vorliegt (§ 1767 I BGB). Nach der Rechtsprechung ist das Eltern-Kind-Verhältnis unter Erwachsenen durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt, wie ihn sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten (OLG München, ZEV 2009, 83). Freilich können nicht die gleichen Anforderungen an ein Eltern-Kind-Verhältnis gestellt werden, wie sie bei der Minderjährigenadoption gestellt werden (Leben in einem gemeinsamen Haushalt, usw.).

Bei der sittlichen Rechtfertigung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Nach der Rechtsprechung ist für die Bejahung der sittlichen Rechtfertigung erforderlich, dass ein sogenanntes familienbezogenes Motiv der entscheidende Grund für die Annahme ist; bei mehreren Motiven muss das familienbezogene Motiv das Hauptmotiv sein. Anerkannte familienbezogene Motive sind die Fortführung des Lebenswerks, also beispielsweise die Übernahme eines Hofs, einer Praxis oder eines Unternehmens durch den Anzunehmenden oder der Wunsch des Annehmenden nach Betreuung und Pflege bei Krankheit und im Alter.

Wenn ein solches familienbezogenes Motiv der entscheidende Grund für die Annahme ist, ist es nicht zu beanstanden, wenn mit der Adoption auch erbschaftsteuerliche oder wirtschaftliche Gründe verfolgt werden (BGH NJW 1961, 1461). Mit Recht wird kritisiert, dass eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenmotiv in der Praxis bloße Augenwischerei ist (Frank, StAZ 2008, 69). Eine wirksame Adoptionsbremse stellt dieses Merkmal nicht dar. Untersuchungen anhand von ca. 1.800 willkürlich ausgewählten Adoptionsanträgen zeigten, dass hiervon gerade einmal 10 abgelehnt worden seien (Frank, FamRZ 2007, 1694).

Dennoch sollten Berater bei adoptionsrechtlichen Mandaten gesteigerte Sorgfalt walten lassen. Hintergrund ist, dass sich in der Literatur und gerichtlichen Praxis eine Tendenz zeigt, Erwachsenenadoptionen nicht mehr „durchzuwinken“. Gerade Fälle, in denen noch ein leiblicher Elternteil lebt, werden zunehmend kritisch beurteilt (Maurer/Münchener Kommentar, § 1767 Rn 13 m.w.N.). Diese Tendenz ist politisch motiviert und rechtlich nicht geboten. Ein Verständnis des Adoptionsrechts dahingehend, dass einer Volljährigenadoption grundsätzlich entgegenstehe, dass ein oder beide leiblichen Elternteile noch am Leben sind und Kontakt zu diesen besteht, ist gegen das Gesetz. Die Erwachsenenadoption ist gerade darauf ausgelegt, die Zahl der Eltern zu vermehren. Dies wird begrüßenswerter Weise von manchen Oberlandesgerichten erkannt (vgl. nur OLG Hamm, FamRZ 2003, 1868). Dennoch ist es unsere Pflicht als Berater, diese Tendenz wahrzunehmen und in unsere Beratung einfließen zu lassen.

Praxishinweise:

Sollte zwischen den beteiligten Mandanten, bei denen eine Volljährigenadoption in Frage kommt, fraglich sein, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, ist fachkundiger anwaltlicher Rat hinzuzuziehen. Da das Adoptionsverfahren mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist, ist es sinnvoll, die Voraussetzungen der Adoption von einem darauf spezialisierten Anwalt im Rahmen einer Erstberatung prüfen zu lassen.

Auch wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis unstreitig ist, ist die Begleitung durch einen Anwalt vorteilhaft. So hat der begleitende Anwalt dafür Sorge zu tragen, dass die Darstellung des Eltern- Kind-Verhältnisses bereits im Adoptionsantrag erfolgt, was Notare zumeist unterlassen. Zudem kann eine zielgerichtete Beratung im Hinblick auf die Voraussetzungen (Wer muss der Adoption zustimmen?; Wer wird im Adoptionsverfahren angehört?) und im Hinblick auf die Rechtsfolgen (Namensrecht, Unterhaltsrecht, usw.) nur durch einen Anwalt erfolgen, da sich der Notar, über den der Adoptionsantrag zu stellen ist, nur in den seltensten Fällen die Zeit dazu nehmen wird und kann.

Im Übrigen kann eine Adoption auch gewünschte oder ungewünschte erbrechtliche Folgen auslösen. Beispielsweise werden durch das Hinzutreten eines Pflichtteilsberechtigten die Pflichtteilsquoten anderer Pflichtteilsberechtigter gekürzt. Das Hinzutreten eines weiteren Pflichtteilsberechtigten durch Adoption kann auch dazu führen, dass bereits eingetretene erbrechtliche Bindungen wieder aufgelöst werden können (vgl. § 2079 BGB).

München, Oktober 2017

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